110: RECHNUNGSBÜCHER – BERLIN – HAUSHALTSBUCH

eines hohen preußischen Regierungsbeamten in der Zeit der Befreiungskriege. Dat. 1. 3. 1805 – 16. 9. 1816. 4º (21,9 x 16,5 cm). 90 nn. Bl. (das letzte weiß). Kalbldr. d. Zt. mit übergreifender Deckellasche und langem Schließband (etw. beschabt und bestoßen). (14)
Startpreis: 600 - 900,- €
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Den preußischen Beamten merkt man dieser Handschrift schon von der äußeren Form her sofort an: akkurat gegliedert, in sauberer und gleichmäßiger, aber sparsam kleiner Schrift werden hier alle Einnahmen und Ausgaben akribisch gelistet und Monat für Monat gegenübergestellt. Vergessen wurde hier offenbar gar nichts, angefangen vom Blumentopf bis hin zu größeren Reisekosten. Aber neben den Aufwendungen für Haushalt, Lebensmittel, ständigen Geschenken an die Ehefrau und Verwandte fällt hier auf, dass der Eigner des Buches viele Einträge kultureller Art macht, darunter Buchkäufe, oft auch als Subskribent, und über regelmäßige Besuche von Konzerten, Theatern, Opern und Komödien sowie Kunstausstellungen, Veranstaltungen von Theater – und Konzertgesellschaften, darunter immer wieder die der Berliner Urania (gegründet 1792). Privat musizierte man mit Violine und Klavier (aufgelistet sind Reparaturkosten) und besorgte sich Noten in Abschrift oder Druck. Interessant darunter eine Eintragung am 5. März 1805, als anstelle einer Komödie Mozarts Requiem anlässlich des Todes der Königin gespielt wird. Aufträge für Schmuck ergingen an den Berliner Goldschmied Friedrich Wilhelm Mudra.

Auf die Profession des Eigners weisen die regelmäßig angeschafften Gesetzestextsammlungen hin, er war also Rechtsgelehrter. Im Mai 1806 wurde er zum „Registratur-Assisstenten“ ernannt. Der große preußische Staatsmann Friedrich von Schuckmann (1755-1834) gewährte ihm am 12. Juni 1812 eine Remuneration. Schuckmann leitete zu dieser Zeit das „allgemeine Polizeidepartement“ und das „Departement für Kultus und öffentlichen Unterricht“. Der vielleicht interessanteste Aspekt ist, dass der Besitzer des Buches ein Mitglied der Johannis-Freimauerloge „Minerva“ (Teil der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland), gewesen ist. Er stieg hier in den höchsten, den dritten Grad, auf. Von daher hatte er mit vielen Freimaurern Kontakt, möglicherweise auch mit Blücher, dem er konstant erhebliche Summen Geld geliehen haben könnte („verliehen an Gebhard“). Blücher, der auch Freimaurer war, hat als Spieler große Schuldenmengen angehäuft. Auch an andere Personen verlieh er regelmäßig Geld, leistete aber auch Hilfe ohne Rückzahlung. So weit erschließbar, hieß der Eigner des Buches Berkmann und seine Ehefrau war eine geborene Schmalz, vielleicht eine Verwandte des Kameral – und Rechtswissenschaftlers Theodor Anton Heinrich Schmalz (1760-1831), auch er ein bedeutender Berliner Freimaurer. – Höchst interessantes sozialgeschichtliches Zeugnis über die Lebensverhältnisse des hohen preußischen Beamtentums am Anfang des 19. Jahrhunderts und Verbindungen in Kreisen der Freimaurer. – Auf feinem Bütten. – Minimal fleckig und gebräunt.