109: RAPPEPORT – "AUS MEINEM LEBEN!"

Album mit Dokumenten, Fotografien und Memorabilia des Schauspielers, Regisseurs, langjährigen Leiters des Deutschen Bühnenclubs und Gastwirts John ("Jonny") Rappeport (1887-1974). Angelegt wohl zwischen 1957 und ca. 1970, mit Beigaben von ca. 1890-1970. Gr.-4º (28,5 x 24 cm). Mit ca. 135 Fotografien (davon 24 mit e. Widmung von Kollegen und Freunden), 15 Briefen (meist masch. mit e. U.), ca. 20 masch. Dokumenten und Unterlagen (tls. Durchschläge), ca. 10 diversen Gaben und Beiträgen (meist mont., darunter mehrere mit Zeichnungen), ca. 20 Einladungen und Programmen, einigen Telegrammen und vielen Zeitungsausschnitten. Auf ca. 130 Bl. Trägerpapier. Etw. läd. Ldr. d. Zt. mit Deckelprägung "Gästebuch". (103)
Startpreis: 600 - 900,- €


Das Album wurde John Rappeport, der lange Zeit als Mittelpunkt der Berliner Theaterszene galt, zum Geburtstag geschenkt und von ihm als Sammlung wichtiger Dokumente seines Lebens und Schaffens wie auch zur Erinnerung an seine zahlreichen befreundeten Kollegen weiter genutzt. Es enthält eine Fülle von Fotografien, Widmungsblättern, amtlichen Dokumenten, Telegrammen und Zeitungsausschnitten zur deutschen, insbesondere aber zur Berliner Theater-, Kabarett – und Filmgeschichte der Nachkriegszeit. Während Rappeports frühe Tätigkeit als Schauspieler – und im Jahr 1918 sogar als Regisseur zweier Filme – und als Leiter des „Deutschen Bühnenclubs“ (gegründet 1901, zwangsweise aufgelöst 1935), bis zum Ende der NS-Zeit mehr oder weniger gut dokumentiert ist, heißt es über die Nachkriegszeit in der Wikipedia: „Sein späterer Lebensweg befindet sich derzeit noch im Dunkeln“. Dem können wir abhelfen – das vorliegende Album belegt die Biografie Rappeports nach 1945 ausführlich.

In einer sechs Seiten langen Durchschrift zu Anfang (nicht datiert, wohl Ende 1944) beschreibt Rappeport, wie er durch falsche Vorwürfe als Restaurantbetreiber zum Tode verurteilt worden war und sich unter erbärmlichen Bedingungen in Berlin in Haft befand. Das ohnehin mehrfach ausgebombte Lokal wurde ihm genommen. Dieses war weiterhin der inoffizielle Treffpunkt nach der Auflösung des Bühnenclubs 1935 gewesen, daher hatte man Rappeport eine Falle gestellt, um einen Vorwand zur endgültigen Zerschlagung zu erhalten. Nach Kriegsende musste sich Rappeport dennoch der Entnazifizierung unterziehen und nahm dann seinen Wohnsitz im Oberbayerischen Farchant. Allerdings wirkte er wesentlich am Wiederaufbau und der Reorganisation der deutschen Theaterlandschaft mit, da er zahlreiche Bühnen auf vielen Reisen als Vizepräsident des wiedergegründeten Deutschen Bühnenclubs besuchte. Auch Sein Lokal, „Jonnys Kleines Künstler-Restaurant“, in Berlin, Kurfürstendamm 72, gründete er erneut 1950 und betrieb es noch ein Jahrzehnt bis 1961. Einem Zeitungsausschnitt zum 70. Geburtstag (November 1957) ist zu entnehmen, daß Rappeport das Album von der Schauspielerin Erna Sellmer bekam. Etwa in der Zeitspanne zwischen dem 70. und dem 80. Geburtstag dürfte das Album im wesentlichen seine Beigaben erhalten haben. Unter den sehr positiven Erinnerungen an die Freunde finden sich immer wieder Unterlagen, die Einblick in die auch nach 1945 schwierige Biografie eröffnen.

Unter den Originaldokumenten ein Aufenthaltsausweis von 1916, mit Foto Rappeports und Unterschrift, Unterlagen zur Entnazifizierung (u. a. zwei Erklärungen des Schauspielers Alfred Beierle, Angehöriger der Widerstandsbewegung Ernst, 1946, Rappeports Mitgliedsausweis der „Ersten antifaschistischen Künstlerzelle“, Berlin, 1. 8. 1945), ein Bescheid der Stadt Berlin (17. 4. 1946) über die Ernennung zum Geschäftsführer des Bühnenclubs und ein Bescheid der Britischen „Information Control Branch“ (Nov. 1947), dass er am kulturellen Leben teilnehmen dürfe. Sehr aufschlussreich ist der unterschriebene Durchschlag eines ausführlichen Schreibens von Rappeport an einen Berliner Stadtrat (Juni 1963), in dem er diesem seine Notlage erklärt und durch einen Abriss seiner Biografie veranschaulicht. Mittlerweile mit dem Bühnenclub überworfen, habe er größere Summen eingezahlter Gelder nicht zurück erhalten; er musste das Künstler-Lokal schließen und hatte durch die Zeitumstände seine Pensionsansprüche verloren. Später hat er mit der Wirtin Elfriede Damm das Lokal „Hageneck“ weitergeführt, bis auch dieses schließen mußte.

Rappeport war mit zahlreichen Persönlichkeiten aus Literatur, Schauspiel, Film, Kabarett und Musik befreundet, darunter auch Erich Kästner. Viele haben ihm signierte Portraits geschenkt, manchmal mit längerer handschriftlicher Widmung, darunter die Schauspieler Rudolf Christians (Albuminabzug, um 1898, als Hamlet), Käthe Dorsch, Anneliese Hartnack (1960), Herbert Hübner (zweimal), Henry Lorenzen (1957), Georg Heinrich Schnell (1938), Jakob Tiedtke, Fritz Tillmann (ganzseitig, 1961), Ernst Waldow (großes Photo, Widmung 1958), Eduard von Winterstein (mit Frau, 1956), weiterhin die Bildhauerin Lore Friedrich-Gronau (mit Werk, 1942) und der Bühnentechniker Walter Unruh. Einen mehrseitigen Glückwunsch mit Handzeichnungen zum 60. Geburtstag 1946 gestaltete ihm das Ehepaar Günter Neumann und Tatjana Sais, beide Kabarettisten bei den „Insulanern“. Zwei ganzseitige hübsche Karikaturen mit Tieren stammen von dem Tiermaler Heinz Rammelt, Mitglied des Kabaretts der Komiker unter Willi Schaeffers. Von Schaeffers auch ein zynisch-düsteres Gedicht, zum Geburtstag 1946. Weiterhin hat Rappeport Briefe einiger Freunde eingeklebt, darunter die Komponisten Willi Kollo und Ralph Siegel (März 1951), ein Brief von Rudolf Nelson (Theaterdirektor, Kabarettist, 1950), zwei von dem Schriftsteller Wolfgang Hoffmann-Harnisch (1953/1961), eine gedruckte Karte mit eigenhändiger Widmung der Schauspielerin Elsa Wagner (1971) etc. Interessant auch ein Programm zur Trauerfeier für Gustav Stresemann, der Ehrenmitglied im Deutschen Bühnenclub gewesen ist, vom 11. 10. 1929, mit einem eingeklebten Filmstreifen einer Tonbildaufnahme Stresemanns von 1925 (5 Bilder in Sequenz). Sechs Fotos im Visitformat zeigen Schauspieler älterer Zeiten (1890/91); die zahlreichen Zeitungsausschnitte sind reich an Informationen über Rappeports Leben, am Ende aber zum Tod seiner Kollegin Käthe Dorsch, die Rappeport offenbar besonders verehrt hat. – Sehr interessantes Dokument zur neueren deutschen Theatergeschichte. – Leichte Gebrauchsspuren.