7: DENZEL – SKIZZENBUCH DES DANIEL DENZEL.

(gestorben 1631). Süddeutschland (Ulm), um 1620 (eine Zeichnung dat. 1619). 4º (20,8 x 16,2). Mit 38 Zeichnungen, meist in schwarzer Tusche, einzelne auch mit Bleistift, auf 25 nn. Bl. (und ca. weiteren 40 weißen Bl.). Flex. Pgt. d. Zt. unter Verwendung von zwei Manuskriptbl. mit Texten aus Missalen des späten Mittelalters (gebräunt, berieben, Schließbänder fehlen). (14)
Startpreis: 3.500,- €
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Über die Ulmer Maler – und Goldschmiedefamilie Denzel (oder Dentzel) weiß man bis heute nur wenig, nicht einmal die exakte Unterscheidung der Personen dieses Namens, die, so nimmt man an, alle Brüder waren, ist gesichert. Die neueren Künstlerlexika, bis hin zum AKL, beziehen sich auf die geringen Angaben bei Weyermann und auch Füßli. Weitere Erkenntnisse zu dieser Familie, deren Mitglieder im frühen 17. Jahrhundert teils sogar als Stadtmaler in Ulm beschäftigt waren, hat vor allem Othmar Metzger in seinem Aufsatz „Die Ulmer Stadtmaler (1495-1631)“ zusammengetragen, erschienen 1958 in der Zeitschrift Ulm und Oberschwaben (Nr. 35, S. 181-200). Demnach war Daniel Denzel der jüngere Bruder von Hans Denzel, welcher 1625 gestorben ist; Daniel übernahm 1628, nach der Entlassung des Stadtmalers Schaler, dessen Stelle und übte das Amt bis zu seinem Tod 1631 aus. Von der Familie Denzel sind nur eine kleine Anzahl von Werken bekannt geworden, von Daniel kannte man bisher kein gesichertes. Mit Hilfe unseres Skizzenbuchs wird es nun möglich, seinen individuellen Stil zu bestimmen, als Maler in der Übergangszeit von der Spätrenaissance zum Barock. Ulm besaß in dieser Zeit zwar längst nicht mehr die künstlerische Führungsposition, die es in Südwestdeutschland noch in der Spätgotik innehatte, Augsburg hatte es hinter sich gelassen, ein wichtiges Zentrum mit großem Einfluss, vor allem auf Oberschwaben, blieb es aber allemal. Zur Einordnung des Skizzenbuchs sollte man wissen, dass Daniels Brüder Johann und Melchior Denzel 1616 in Ulm ein Werk über ein neues Mess- und Konstruktionsinstrument publiziert haben, „Kurze vnnd gründliche Beschreibung eines Newen Geometrischen Instruments oder Schregmäss“. Die Verfasser behaupteten, das bis heute als Zimmermannswinkel bekannte „Schrägmass“ erfunden zu haben. Das Instrument sollte zur perspektivischen Konstruktion Hilfe leisten.

Mit dem vorliegenden Skizzenbuch tritt Daniel Denzel als Künstlerpersönlichkeit ans Tageslicht. Es gibt Einblick in die Vorbilder seines Schaffens, die Bildthemen und seine individuelle künstlerische Handschrift. Wie Johann und Melchior war auch Daniel Denzel mit der Geometrie als Hilfsmittel des Zeichnens beschäftigt. Die Zeichnungen von Köpfen im Profil und frontal sowie von Pferden unter Quadraturlinien erinnern an Dürer, ebenso zwei Büsten bärtiger Männer im Halbprofil, die wohl von Aposteldarstellungen Dürers inspiriert sein dürften, weiterhin stehende Ritter und Landsknechte. Auch in zwei Landschaften mit Flüssen, Bergen und Wald wird der Einfluss Dürers greifbar, vielleicht auch der Donauschule. Bei dem Entwurf eines Bogenportals (oder Arkade) über Pilastern, ornamental reich verziert, zeigt sich Denzel stilistisch auf der Höhe der Zeit, dem Spätmanierismus. Während wir bei den meisten Zeichnungen von der Umsetzung von Vorlagen ausgehen können, dürfte eine ganzseitige Tuschezeichnung mit dem Kampf Davids gegen Goliath eine eigenständige künstlerische Leistung darstellen. Denzel hat sie mit seinem Monogramm versehen, „DD“, dazwischen ein Anker (nicht bei Nagler, Monogrammisten), dazu datiert auf den 3. Juli 1619 und mit seinem vollem Namenszug in der Bezeichnung. Diese ganzseitige Zeichnung ist die einzige mit Sepia lavierte.

Einige der Darstellungen in diesem Skizzenbuch mit stehenden Lanzenträgern und Rittern, Pferden, Allegorien, dazu das Portal sowie am Ende ein blütenartiges Rundfenster etc. sind typisch für die profane Monumentalmalerei der Zeit. Da einzelne davon nicht nur mit Quadraturlinien versehen sind, sondern ihnen auch Größenmaße beigegeben sind, könnte es sich hier um Entwürfe für die Freskobemalung eines Gebäudes handeln. Am Ulmer Rathaus war die Freskierung schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts erfolgt, auch hier übrigens mit der Darstellung von David und Goliath und unter Rückgriff auf ältere Vorlagen wie Holzschnitte und Stiche. Kurz vor der Entstehung des Skizzenbuchs war jedoch das Ulmer Schwörhaus neu errichtet worden, ein weiterer wichtiger reichsstädtischer Repräsentationsbau, erbaut 1612-18. Durch mehrfache Zerstörung ist fast nichts von der ursprünglichen wandfesten Ausstattung erhalten geblieben. Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass zumindest einige dieser Darstellungen für das Schwörhaus bestimmt gewesen sind. Eine der Zeichnungen könnte daneben als ein generelles Muster für Stadtdarstellungen gedient haben, ein Plan in Vogelschau von Nicosia (bezeichnet in kleiner Kartusche), gezeichnet nach Vorlage eines seltenen Flugblattes über die Türkenkriege von Balthasar Jenichen in Nürnberg, um 1570 (Drugulin II, 370). – Auf feinem Bütten mit dem Wasserzeichen eines springenden Hirschen mit den Buchstaben B und M innerhalb der Kontur, bei Briquet verzeichnet unter der Nummer 3336, die Angaben korrigiert bei Stevenson, S. *65, hier beschrieben als Zeichen der Papiermühle des Bartlin Metschger in Heidenheim, nachweisbar von 1602-1634. – Spiegel mit Wurmspuren, tls. leicht fleckig und gering gebräunt.