61: ALBUM AMICORUM – FREUNDSCHAFTSALBUM DES ERFURTER GOLDSCHMIEDS JOHANN GOTTLIEB KIEL

mit 30 Einträgen, überwiegend aus Erfurt und Dresden, einzelne aus Braunschweig, Frankfurt a. M., Hannover u. a., 1756-1794. Qu.-8º (14,4 x 20,2 cm). Mit 15 Aquarellen und Zeichnungen (meist lavierten Federzeichnungen). 85 nn. Bl. (davon 50 weiße). Ldr. d. Zt. mit Vg. und goldgepr. dat. Monogramm auf dem Vorderdeckel "J. G. K. Anno. 1756." (Gelenk gebrochen, stärker beschabt und bestoßen). (74)
Schätzpreis: 1.200,- €
Ergebnis: 800,- €


In dieses mit teils sehr qualitätvollen Beigaben bebilderte Künstleralbum der Rokokozeit aus Thüringen und Sachsen haben sich einige interessante Persönlichkeiten eingetragen, darunter mehrere Künstler. Der Eigner Johann Gottlieb Kiel (1733-1811) war seit 1760 Goldschmiede-Meister in Erfurt und wirkte später als fürstlich Schwarzburg-Sondershausischer Hofjuwelier (Kunze 102 und 109; Thieme/Becker XX, 261). Ein Berufskollege war Carl Leopold Kopp, wie Kiel seit 1760 Meister in Erfurt (Kunze 104). Sein Beitrag ist eine ganzseitige lavierte Federzeichnung eines Bauernjungen, der ein Vögelchen in seinem Hut trägt. Kiels Schüler Carl Häßler hat sich 1793 in das Album eingetragen. Aus derselben Familie Häßler stammte der bekannte Komponist Johann Wilhelm Häßler (1747-1822); er war mit Kiels Tochter Sophia Barbara (1761-1844) verheiratet (leider ohne Eintrag). Mit einem in Tusche gezeichneten Entwurf für ein Schmuckstück hat der Dresdner Hofkupferstecher, der auch als Goldschmied und Maler tätige Johann Otto Christian Sahler (auch Saler, 1720-1811), seinen Eintrag versehen (Thieme/Becker XIX, 341). Christian Gottfried Wunderlich (1721-1765), Hofmaler in Arnstadt, war laut Eintrag von 1759 Kiels Schwager; er hat ihm eine pastorale Darstellung in üppigem Rocaillenrahmen in das Album gezeichnet. Künstlerische Höhepunkte markieren zwei sehr elegante und gekonnte Tuschezeichnungen. Die eine ist ein Tribut an die Orientmode der Zeit: Hier ruhen sich zwei Türken bei Kaffee und Tabakrauch in einer Rocaillenkulisse aus, signiert Dresden 1757, von einem Charles Salome aus Magdeburg. Die zweite stammt von Philipp Friedrich Stockmar, Medailleur und Stempelschneider aus Gotha (Thieme/Becker XXXII, 80), signiert Illmenau 1758. In zarten dunklen Rosatönen prostet sich ein adeliges Paar zu, das in einer virtuos entworfenen Szenerie aus Bäumen und Rocaillen ruht. Bemerkenswert auch eine nicht signierte aquarellierte Federzeichnung mit einer Groteske, wohl der Entwurf zu einem Tischbrunnen, bei dem ein Seeungeheuer auf dem Kopf stehend über sechs Blüten und einer Muschel als Brunnenschale in der Mitte zu sehen ist. Ein ebenfalls sehr gekonntes farbiges Aquarell zeigt einen Wanderer in weiter pastoraler Landschaft, umgeben von einer reichen und besonders hübschen Rokoko-Bordüre. Manche der Darstellungen sind von amourösem Sujet, entsprechend einigen der Texte mit mehr oder weniger deutlichen derartigen Anspielungen. Kurios ist insbesondere eine rote Federzeichnung einer Dame in offener Landschaft; in Bleistift eingezeichnet ist hier ein Männchen mit einem Besen, das auf einer Leiter an ihrem Rock hinaufsteigt, darunter die Worte "In meiner Geliebten Hauß / Kehr ich den Rauch Fang aus." Der Eintrag gegenüber stammt von einem Adam Christian Friedrich Wenzel aus Ilmenau, Erfurt 1758. Auch unter den Einträgen ohne Bildbeigabe sind es einige wert, hervorgehoben zu werden, darunter derjenige des Capitaine Rostaing, ein französischer Offizier in Mainz, im Jahr 1793, mit der Devise: "L’amour de la Liberté & le Patriotisme nous reunit", weiterhin der des Wehlener Pfarrers und theologischen Schriftstellers Johann Christoph Erbstein, Einträge von Mitgliedern der Kaufmannsfamilien Herbst und Greffell aus Hannover, des Arztes sowie Verfassers einer Anatomie des menschlichen Körpers, Georg Heinrich Thilow, und natürlich mehreren Mitgliedern der Familie Kiel. (Kunze = Herbert Kunze, Das Erfurter Kunsthandwerk, Erfurt 1929). – Stellenw., vor allem am oberen Rand, leichte Feuchtigkeitsspuren mit Verfärbung und Auslösung von Tinte (tls. mit Durchschlag auf die meist unbeschriebenen Rückseiten; leicht gebräunt und fleckig.

Friendship album of the Erfurt goldsmith Johann Gottlieb Kiel with 30 entries, mostly from Erfurt and Dresden, some from Braunschweig, Frankfurt a. M., Hannover and other cities. With 15 watercolours and drawings (mostly washed pen-and-ink drawings). This artist’s album of the Rococo period from Thuringia and Saxony, illustrated in part with very high-quality additions, contains entries by a number of interesting personalities, including several artists. The owner Johann Gottlieb Kiel (1733-1811) was a master goldsmith in Erfurt from 1760 and later worked as a court jeweller to the princes of Schwarzburg-Sondershausen. One of his colleagues was Carl Leopold Kopp, who, like Kiel, had been a master goldsmith in Erfurt since 1760. His contribution is a full-page washed pen and ink drawing of a peasant boy carrying a little bird in his hat. The Dresden court copper engraver, Johann Otto Christian Sahler (also Saler, 1720-1811), who also worked as a goldsmith and painter, added a design for a piece of jewellery drawn in ink to his entry. Christian Gottfried Wunderlich (1721-1765), court painter in Arnstadt, was Kiel’s brother-in-law according to the entry of 1759; he drew a pastoral depiction in a lush rocaille frame for him in the album. Artistic highlights are marked by two very elegant and skillful ink drawings. One is a tribute to the Oriental fashion of the time: here two Turks are resting with coffee and tobacco smoke in a rocaille setting, signed in Dresden 1757, by a Charles Salome from Magdeburg. The second is by Philipp Friedrich Stockmar, a medallist and stamp engraver from Gotha, signed Illmenau 1758. A noble couple rests in a virtuoso scene of trees and rocailles in delicate shades of pink. Also remarkable is an unsigned, watercolour pen and ink drawing with a grotesque, probably the design for a table fountain, in which a sea monster can be seen standing on its head above six flowers and a shell as a fountain bowl in the centre. – Partially, especially at the upper margin, with water stains or discolourations on the ink, slightly tanned and soiled. – Contemporary calf with gilt-tooling and monogram "J. G. K. anno 1756" (front cover loose, stronger scuffed and bumped).