Umfangreiche Sammelhandschrift mit theologischen Traktaten, Heiligenviten und einer Predigtreihe (Fragment), überwiegend wohl zeitgenössische, d. h. wenige Jahrzehnte vor den Abschriften entstandene Texte.
Der Band ist aus vier einzelnen Teilen zusammengestellt, die sich teils durch die verwendeten Papiere und auch in Schriftgröße und – duktus deutlich unterscheiden. Der schlichte Einband, wohl aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, ist auf beiden Deckeln mit Streicheisenlinien geziert und trägt neben dem kaum noch lesbaren Titelschildchen ein altes Signaturschildchen mit dem Buchstaben "P". Auf dem hinteren Deckel zeugen zwei Bohrlöcher und Abdrücke eines Beschlages davon, dass der Band ehemals als Ketteneinband in einer wohl klösterlichen Bibliothek verwahrt wurde.
Der erste Teil umfasst 35 Blätter (die letzten beiden weiß; drei Sexternionen, das letzte Blatt der dritten Lage entfernt). Deutlich sichtbar ist hier das Wasserzeichen eines Ochsenkopfs, darüber einkonturige Stange mit sechsstrahligem Stern, wie es im Spätmittelalter weit verbreitet war. – Enthalten sind hier insgesamt sieben theologische Traktate sowie drei kurze Heiligenviten, deren Anfänge meist durch Initialen und Rubriken hervorgehoben sind:
I. Item tractatus bonus de virginibus. Flores apparuerunt interra nostra Canticis 2º. Dum ante tempore hyemali legis veteris terra sunt synagoga …
II. De sancto Laurencio. Laurencius de Hispanie partibus et de regali semine ortus est …
III. De corizacione valde notabili. Per tria potest ostendi quod periculosum sit ducere coreas …
IV. De sancto Ludwico. Quidam Mercator de Marsilia volens ire per mercera …
V. De conceptione et conversione Katherine virginis. Gloriosus deus suos sanctos et eclectos tam gloriose et gratiose remunerate …
VI. De visitatione virginis gloriose. Exurgens Maria abiit in montana peracta igitur divina providentia …
VII. Tractatus de penis inferni. Querebant cum inter cognatos et notos Luce 2. Quamvis verbum istud de benedicta matre et virgine …
VIII. Tractatus de humanitate Christi. Gavisi sunt discipuli viso domino Johannis (20). Bernardus sic inquit …
IX. Sequitur de nobilitatibus ipsius anime. Nunc de privilegiis et nobilitatibus ipsius anime advertamus …
X. Amice ascende superius Luce 14. Origenes sic inquit: ille solus amor est probabilis qui deo et virtutibus coaptatur …
Die letzteren vier Traktate dieses ersten Teiles können dem Franziskaner Marquard von Lindau (1320-1392) zugewiesen werden; sie sind auch in einer Sammelhandschrift aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus Tegernsee überliefert (München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 18729). Die Verfasser der anderen kurzen Traktate konnten wir nicht ermitteln und auch keine Editionen auffinden. Die Viten des heiligen Laurentius, des heiligen Ludwig und der heiligen Katharina sind in den Acta Sanctorum nicht nachgewiesen.
Der zweite Teil der Sammelhandschrift besteht aus drei Lagen (ein Quinternio, ein Sexternio und ein Quaternio) mit zusammen 30 Blättern, von alter Hand teils irrig foliiert oder in sich verbunden. Enthalten ist der Traktat "De duodecim consiliis Evangelicis" aus der Evangelienharmonie des Kartäusers Ludolf von Sachsen (um 1300-1378), in dem er aus den Evangelien zwölf Ratschläge für ein christliches Leben ableitet. Der Beginn der einzelnen Abschnitte ist jeweils durch eine zweizeilige Initiale in Rot hervorgehoben.
Der dritte Teil mit einem Umfang von 24 Blättern (zwei Sexternionen) ist in einer sehr kleinen zierlichen Buchschrift geschrieben; nur der Beginn ist mit einer kleinen Initiale hervorgehoben, der Text ist nicht rubriziert. Enthalten ist eine umfangreiche Erklärung der Heiligen Messe mit dem Incipit "Videte quomodo caute ambuletis … Beatus Dionysius super ecclesiastica ierarchia particula prima …" (vgl. A. Zumkeller, Manuskripte von Werken der Autoren des Augustiner-Eremitenordens in mitteleuropäischen Bibliotheken, Würzburg 1966, wohl Nr. 875). Adolf Franz vermutete, dass der Traktat "vielleicht dem Kreis der Erfurter Theologen aus dem Orden der Augustiner-Eremiten" zuzuordnen sei. Insbesondere komme Jordan von Quedlinburg (um 1300-1370) als Verfasser in Frage, da in einer Handschrift des 14. Jahrhunderts in der Mainzer Stadtbibliothek (Cod. 49) gemeinsam mit der Messauslegung eine Erklärung des Vaterunsers überliefert ist, die dieser 1327 in Erfurt vorgetragen hat, wo er im Augustinerkloster als Lektor wirkte (A. Franz, Die Messe im deutschen Mittelalter, Freiburg 1902, S. 498/99). Diese Theorie wird durch das Explicit in unserer Handschrift gestützt: "Explicit expositio canonis bona lecta Ertfordie deo gratias".
Der vierte, umfangreichste Teil der Handschrift (122 Bl.; Sexternionen und Quinionen und am Ende ein Ternio) überliefert ein großes Fragment einer Predigtreihe, einsetzend mit der Predigt zum dritten Adventssonntag. Die einzelnen Abschnitte sind mit Initialen markiert und die Zitate der Evangelien, die in den Predigten ausgelegt werden, jeweils rot unterstrichen. – Das Papier des ersten Teils mit deutlich sichtbarem Wasserzeichen eines Ochsenkopfs, darüber einkonturige Stange mit sechsstrahligem Stern. Dieses Wasserzeichen war im Spätmittelalter weit verbreitet, die meisten Beispiele stammen aus dem mittleren 15. Jahrhundert. – Kopfschnitt mit altem Stempel, vorderer Spiegel mit Makulaturblatt einer lateinischen Handschrift des 14. Jhdts., das erste Bl. tls. gelöst, stellenw. mit (tls. alt hinterlegtem) Einriss am Bug, anfangs sowie im Bundsteg stellenw. mit kleinen Wurmspuren (minimaler Buchstabenverlust), der letzte Teil oben etw. wasserrandig, ein Bl. mit kleinem Einriss, stellenw. etw. fleckig. – Mit tls. intakten Blattweisern.
Extensive late 14th century manuscript collection in one volume with theological treatises, saints‘ vitae and a series of sermons (fragment), mostly probably contemporary texts, i.e. written a few decades before the copies. The volume is made up of four individual parts, some of which differ significantly in terms of the paper used and also in font size and style. The plain binding, probably from the first half of the 15th century, is decorated with iron lines on both covers and bears an old signature label with the letter `P‘ next to the barely legible title label. On the back cover, 2 drilled holes and impressions of a fitting bear witness to the fact that the volume was once kept as a chain binding in what was probably a monastic library. The first part contains 7 theological treatises as well as 3 short vites of the saints, the beginnings are mostly emphasised by initials and rubrics. The second part contains the treatise `de duodecim consiliis evangelicis‘ from the Gospel Harmony of the Carthusian Ludolf of Saxony, in which he derives 12 pieces of advice for a Christian life from the Gospels. The beginning of each section is emphasised by a two-line initial in red. The third part is written in a very small, delicate book font, only the beginning is emphasised with a small initial, the text is not rubricated. It contains a comprehensive explanation of the Holy Mass with the incipit `videte quomodo caute ambuletis…‘ The fourth, most extensive part of the manuscript contains a large fragment of a sermon series, beginning with the sermon for the third Sunday of Advent. The individual sections are marked with initials and the quotations from the Gospels that are interpreted in the sermons are underlined in red. – Head edge with old stamp, front paste down with waste sheet of a 14th century Latin manuscript, first sheet partly loose, partially backed tear at inner joint, some smaller worming at the beginning and inner joint (partial loss of letters), last part with some water stains at the upper part, one sheet with small tear, partially somewhat soiled. – Leaf pointers partially intact. – Contemporary calf over wooden boards (head and tails somewhat damaged, with worming, scuffed and soiled, with remains of old labels and clasps).