31: "ERINNERUNGEN EINER REISE,

über Wien, Triest, Venedig, Verona, München etc. etc. – im Jahre 1801. An meine liebe Ursula gerichtet." Deutsche Handschrift auf J. Whatman-Velin mit dat. Wasserzeichen 1804. Dresden, um oder bald nach 1804. 4º (24,1 x 19,8 cm). 350 S. 22 Zln. Goldgepr. rotes Ldr. d. Zt. mit dreiseit. Goldschnitt (einige dunkle Wasserränder, etw. beschabt und bestoßen). (134)
Schätzpreis: 1.200,- €


Eine sehr saubere und gleichmäßige Kurrent-Handschrift, die der Verfasser, wie er selbst mitteilt, aus Aufzeichnungen während der Reise zusammengestellt und seiner Frau Ursula gewidmet hat. Diese war selbst auf der Reise dabei gewesen, der kleine Sohn der beiden namens Herrmann war unterdessen in einem Ort namens "Walde" bei Verwandten untergebracht.

Die Reisegruppe war wohl sehr klein, die anderen Mitreisenden werden nicht namentlich genannt. Der Verfasser war, wie er am Anfang schreibt, von Beruf Architekt. Zudem betätigte er sich als Dichter-Dilettant. Kostproben davon durchziehen den ganzen Reisebericht. Er kann nur von hohem Stand und/oder militärischem Rang gewesen sein. Auf seiner ersten bedeutenden Reisestation, Prag, sucht er den damals dort lebenden österreichischen Feldmarschall Michael Friedrich von Melas (1729-1806) auf, und zwar als einen von mehreren "Höflichkeitsbesuchen". Auch hatte er immer wieder die Gelegenheit, Paläste und Gärten hochgestellter Persönlichkeiten zu besichtigen. Aus diesen Fakten ist zu schließen, dass der Verfasser wohl dem sächsisch-kurfürstlichen Ingenieurscorps in leitender Funktion angehörte, also einen hohen militärischen Rang innehatte.

Sein Interessenshorizont ist vielfältig: Malerei, Plastik, natürlich Architektur, insbesondere die Bauten Palladios, aber auch die Gotik des Prager Doms beeindrucken ihn, er sucht ebenso die Werke der großen Künstler seiner Zeit auf, darunter Canova, Mengs und Angelica Kauffmann. Wann immer möglich, sieht er sich die Werke der wichtigen Maler der Renaissance (viel Tizian und andere Venezianer) und des Barock an (darunter besonders Rubens und Rembrandt). Sein Urteil ist von Kennerschaft geprägt und differenziert. Musikaufführungen und vor allem das Ballett haben es ihm angetan. Interessant ist diesbezüglich der Besuch einer Aufführung von Beethovens "Prometheus"-Ballett am 20. Juli 1801 in den Laxenburger Gärten bei Wien. Allerdings habe ihn das nur ein halbes Jahr zuvor uraufgeführte Werk wenig interessiert: "Es ist zwar ganz hübsch, aber die Allegorie war, zumal gegen das Ende, zu sehr verwickelt, es ward angenehm groupirt, aber weniger getanzt." In Wien sah er sich viele Gemälde an, die ausführlich beschrieben werden, hier in Form eines Briefes nach Dresden.

Die Reise von Wien nach Triest dauerte vom 22.-30. Juli und führte über Ljubljana ("Laybach") Richtung Südwesten nach Planina und Adelsberg (Postojna). Dort besichtigte man die berühmten Höhlen, die Schwarze Grotte und die Magdalenengrotte. In Triest blieb die Gruppe bis zum 4. August. Dort traf er den bedeutenden Bankier und Kaufmann Franz Kaspar Dobler (1759-1817), der die Gruppe mehrfach begleitete und führte. Die Überfahrt nach Venedig erfolgte am 4. August, der Aufenthalt dort dauerte vom 5.-12., dann ging es weiter in die untere Lombardei, bis 18. August. Stationen waren Padua, die Villa Pisani, Vicenza, die Villa Rotonda, schließlich Verona. Am 19. 8. trat man die Rückreise an, die durch Tirol nach Bayern führte, über Trient, Bozen (21.8.), Brixen, weiter über "Mittelwalde" (Mittewald); am 22. ging es über Sterzing und den Brennerpass nach Innsbruck, wo man einen Tag verbrachte; am 24. weiter über Seefeld nach "Mittelwalde" (diesmal: Mittenwald in Bayern), am Walchensee ("Wallensee") entlang nach Benediktbeuern. Die Ankunft in München war am 25., die Stadtbesichtigung am Folgetag, am 27. Weiterfahrt über Freising, Landshut, Eglofsheim, nach Regensburg, am 29. über Bonnholz, Schwandorf, Wernberg, und am 30. nach Weiden, Neustadt, Tirschenreuth und Eger; von Karlsbad über Schönhofen und Teplitz ging es bis zum 6. September zurück nach Dresden. Als Reiseführer hatte man den "Guide des voyageurs en Europe" von Heinrich August Ottokar Reichard (im Manuskript immer "Reinhardt" genannt) dabei, dessen Erstausgabe 1793 erschienen ist.

Interessanter Reisebericht mit einer Fülle von meist sehr sachverständigen Beobachtungen und Urteilen zur Kunst und Architektur, dem Städtebau und zur Bautechnik, zu Theater, Musik, Geschichte (darunter längere Ausführungen zu Venedig), Natur, Land und Leuten, verfasst von einem Dresdener Militärarchitekten. – Vorsätze mit stärkeren Feuchtigkeitsspuren, insgesamt nur in den Rändern leicht wasserfleckig und gebräunt.