13: SPANISCHER ERBFOLGEKRIEG – "CAMPAGNE DE BAVIERS 1703"

(Rückentitel). Französische Handschrift auf feinem Bütten. Frankreich (Lothringen), um 1705. 4º (21,8 x 17 cm). 2 nn. Bl., 13 (recte 15) S., 1 weißes Bl., 1 nn. Bl., 149 S., 7 nn. Bl. Pgt. d. Zt. (Rücken läd., mit Fehlstellen, fleckig, Bezüge an den Kanten angeplatzt, bestoßen). (91)
Startpreis: 600,- €
Ergebnis: 400,- €


Ein unbekannter, niemals veröffentlichter Augenzeugenbericht über die frühe Phase des Spanischen Erbfolgekriegs in der Zeit von 1702-04. – Der Verfasser und Schreiber Chenevières wurde im Jahre 1701 Kommandant der Festung Bitche (Lothringen) und 1714, nach dem Verlust der Festung, Gouverneur von Saint-Venant.

Geschildert wird der französische Feldzug in Süddeutschland, bis hin zu den Plünderungen rund um das eroberte Ulm. Mit dem 6. März 1704, also vor den entscheidenden Niederlagen der französisch-bayerischen Truppen im Sommer des Jahres, bricht der Bericht ab.

Der Chronist war Teil der französischen Armeeverbände unter dem berühmten Marschall Claude-Louis-Hector de Villars (1653-1734), beginnend mit dessen Feldzügen im Elsass 1702 und dem folgenden Vorstoß nach Süddeutschland. In Tuttlingen konnte Villars am 12. Mai die Verbindung zum Kurfürsten von Bayern, Max Emanuel, herstellen.

Der kurze erste Teil behandelt den Anfang der Kampagne, teils noch im Elsass: „Estat de tout ce qui cest passé depuis que monsieur le Marechal de Villars, a commandé en Alsasse en 1702 et sa campagne en Baviers l’année suivante“. – Im zweiten Teil „Relation de la campagne que nous avons fait en 1703 sous le commendement de Mr. le Marechal de Villars en Baviers estant cependant sous les ordres en commendement de son Altesse Electorale de Baviers“ wird dann über den Feldzug berichtet, den der Chronist zunächst noch unter Villars Kommando, aber schon unter der Führung des Kurfürsten von Bayern erlebt hat. Nach dem Rückzug von Villars standen die Truppen dann einzig unter kurfürstlichem Kommando.

Die Schilderungen sind detailliert, unter Angabe von Zahlen, Namen, Orten, Ereignissen und der Erörterung von Hintergründen und Ursachen. Erwähnt werden in Süddeutschland unter vielen anderen die Orte Riedlingen, Lauingen, Gundelfingen, Dillingen, Eichstätt, Donauwörth, Biberach, Kempten und Meßkirch. Ausführlich wird das Erreichen der Umgebung von Ulm bei Munderkingen am 6. Juli und die folgende Einnahme von Ulm geschildert, danach zog man über Memmingen in Richtung Augsburg. Genau sind auch die Ereignisse im August 1703 dargelegt. Die siegreiche erste Schlacht bei Höchstätt am 20. September wird auf den S. 101-114 geschildert, dann die Belagerung und der Beschuss von Augsburg im Dezember 1703 sowie die Einnahme der Stadt Anfang des Jahres 1704. Auch vom Versuch Max Emanuels, über Kufstein nach Tirol vorzustoßen, wird mehrfach berichtet. Am Ende mehrere Auflistungen: der französischen Marschälle seit König Heinrich IV., der holländischen Eroberungen in den spanischen Niederlanden seit 1702, über verschiedene Herrschaftsformen und über den Zustand der europäischen Regierungen im Jahr 1704: „La France prend tout, l’Empereur perd tout, l’Angleterre promet tout, la Hollande paie tout, l’Espagne profite de tout…“ und zum Abschluss: „Le diable emportera tous“.

Auskunft über die Provenienz der Handschrift gibt ein kleines beiliegendes Blatt, wohl aus der Zeit um 1760/70, mit der Notiz von einem Großneffen des Verfassers, worin dieser seine Erben dazu auffordert, dieses „pretieux manuscrit de Campaignes faites du reigne de Louis XIIII. par mon grand oncle de Cheneviere (oder Chenneviere, da mit Kürzungsstrich über dem n)…“ niemals aus ihren Händen zu geben. Der Großonkel hätte fünf Bände mit derartigen Aufzeichnungen in der Schublade einer Kommode aufbewahrt. Voltaire habe seine Geschichte des Zeitalters Ludwigs XIV. nicht vollenden können, weil ihm die dazu notwendigen Materialien zur militärischen Geschichte und den Eroberungen Ludwigs nicht zur Verfügung standen. Er habe sie von der Familie zu erlangen versucht, doch seine, des Großneffen, Mutter habe das zu ihren Lebzeiten verweigert. Doch werde der Tag kommen, an dem die Geschichte der Epoche Ludwigs XIV. unter Einbeziehung von „toutes les conquêtes de ces manuscrits…“ neu geschrieben werden könne. – Voltaire hatte seit ca. 1732 an seinem Werk „Le Siècle de Louis XIV.“ gearbeitet, veröffentlicht wurde es 1751.

Das Manuskript enthält auf dem ersten Blatt, das ursprünglich wohl nur ein leerer Vorsatz war, den philosophischen Text eines unbekannten Autors „Les maximes de la sagesse humaine“, der 1706 erschienen ist (Conlon 13370) und angeblich von Fénelon stammen soll. Unter dem Titel ist hier der Name des Autors leider ausgekratzt, er begann wohl mit A, vielleicht für „Archevêque“ (Fénelon). Dieser Text zieht sich bis auf den ersten Titel des Berichts hin. – Einige Anmerkungen und Marginalien, teils aus etw. späterer Zeit. – Auf Papier mit Wasserzeichen einer Traube und einer Krone. – Innengelenke gebrochen, Ränder etw. fleckig und gebräunt, Gebrauchsspuren.