Marcello (1686-1739) war venezianischer Staatsbeamter und zugleich einer der fruchtbarsten Komponisten seiner Zeit. Neben der Kirchenmusik und Instrumentalwerken sind vor allem seine über 380 "Cantate a voce sola", meist nach eigenen Texten, von herausragender Bedeutung. – Bei dieser Sammlung dreier weltlicher Kantaten in frühen Abschriften handelt es sich um eine Zusammenstellung aus zwei verschiedenen Quellen, von unterschiedlichen Schreibern auf ähnlichen, wohl venezianischen Papieren. – Zu einem Band dürften die drei Werke in der Zeit gegen 1800 vereinigt und gebunden worden sein. Die erste und älteste Abschrift ist zweifellos jene der 1727 entstandenen, umfangreichen "Cassandra"-Kantate ("Odi o Troia"). Sie wurde auf recht festem Bütten mit dem Drei-Halbmonde-Wasserzeichen sowie schlecht erkennbaren Beizeichen (wohl Wappen und Buchstaben) niedergeschrieben. Nach dem Papier, eigentlich Exportgut für den Orient, wird der Entstehungsort Venedig gewesen sein, vielleicht auch Wien, wohl um oder nach der Mitte des 18. Jahrhunderts. – Unsere sehr routiniert ausgeführte Handschrift entspricht der Fassung A240b (Selfridge-Field 1990). Sie dürfte zu den früheren Manuskripten der im 18. Jahrhundert nur handschriftlich verbreiteten, aber schon in dieser Zeit bekannten und geschätzten Kantate zählen. – Die folgende Kantate "Andromaca" ("Ecuba di Minerva" – Selfridge-Field A113a) wurde auf einem ebenso festen Papier, auch mit einem "tre mezzelune"-Wasserzeichen, aber in einem anderen Schreibduktus und wahrscheinlich etwas später als die "Cassandra" abgefasst (um 1760/80). Von dieser Kantate sind wenige komplette Abschriften aus dem 18. Jahrhundert überliefert. Gegen Ende ist hier ein Blatt übersprungen worden, mitten im Rezitativ, doch fehlt hier kein Notentext. – Die letzte hier niedergeschriebene Kantate ist der "Timoteo" für zwei Gesangsstimmen ("Celebravasi il giorno" – Selfridge-Field 396), wie die "Cassandra" nach einem Libretto von Antonio Conti und ebenfalls aus dem Jahr 1727. – Das Vorsatzblatt des Bandes mit Wasserzeichen "MA" (beschrieben in der Bachforschung). – Tls. knapp beschnitten (kein Textverlust), gering fleckig. – Schöne Sammlung von drei "heroischen" Kantaten.