55: KÄRNER – KÜNSTLERISCHER TEILNACHLASS DES TIERBILDHAUERS THEODOR KÄRNER.

Ein Skizzenbuch und 24 lose Skizzenbl. mit zus. über 100 Zeichnungen in verschied. Techniken sowie ein an ihn gerichteter Brief. Dat.: die Zeichnungen um 1905-15, der Brief 1946. Verschied. kleinere Formate. Das Skizzenbuch mit 31 Bl., davon 24 mit Zeichnungen. Hlwd. d. Zt. (stärker beschabt und bestoßen). (99)
Schätzpreis: 400,- €
Ergebnis: 260,- €


Der Tierbildhauer Theodor Kärner (1884-1966) zählt zu den bedeutendsten Meistern des Porzellans im 20. Jahrhundert. Im Bereich der Tierplastik, seine Paradedisziplin, hat er einen geradezu virtuosen Stil entwickelt, so zum Beispiel springende Pferde ohne die üblichen Stützen am Bauch, in Verbindung mit genauer Beobachtung und Charakterisierung der dargestellten Tiere und Menschen. Kärners Werke, geschaffen für zwei der bedeutendsten Manufakturen, Nymphenburg und Rosenthal, werden noch heute zu hohen Preisen gehandelt. Allerdings liegt der Schatten der NS-Vergangenheit über seiner unbestreitbaren künstlerischen Könnerschaft. Als SS-Offizier leitete Kärner die von Heinrich Himmler gegründete Manufaktur in Allach, in der Zwangsarbeiter aus den KZs Dachau und Buchenwald arbeiten mussten. Nach dem Krieg war Kärner wieder bei Rosenthal in Selb tätig; dort hatte er schon von 1919 bis 1934 gearbeitet. Die Zeichnungen stammen alle aus seiner Jugendzeit, nach der Ausbildung bei Hutschenreuther (1898-1903), als er in München studierte.

Das Skizzenbuch mit gezeichnetem Titel – Zwerge malen die Schrift – enthält neben vielen, oft sehr lockeren Skizzen von Tieren auch Landschaften in Aquarell, einige Studien der menschlichen Figur, weibliche Akte und Portraits, darunter das von Georg Kärner, datiert 1906, ein junger Mann, vielleicht sein Bruder.

Das Skizzenbuch stammt wohl aus der Zeit als Student der Bildhauerei bei Heinrich Waderé. Auf dem letzten Blatt findet sich der Eintrag "Steinbruchbesitzer Ruthel in Harburg, Schwaben", der dort im späten 19. Jahrhundert als Bruchsteinlieferant nachzuweisen ist. Kärner hat von diesem wohl Material für seine ersten Bildhauerarbeiten bezogen.

Weitere sechs lose Blätter sind aus einem anderen, fast gleichgroßen Skizzenbuch entnommen, wohl aus derselben Zeit (vor 1910), mit Zeichnungen von Zwergen, einem Drachenkampf, verschiedenen Tieren und einem Akt. Auch die 18 losen Blätter auf verschiedenen Papieren und in kleineren Formaten sind nicht nach 1920 zu datieren, eher deutlich früher. Darunter zehn Blätter aus einem kleinen Skizzenblock mit perforiertem Rand, alles Entwürfe zu einem Medaillon, teils rund, teils hochoval, mit antiken Kämpferfiguren und Frauenakten, eine der Zeichnungen mit der Jahreszahl 1915. Die übrigen Blätter sind wohl zwischen 1907-15 entstanden, darunter ein sehr ausdrucksvolles Blatt, mit einigen Skizzen von springenden und stürzenden Kavalleriepferden im Krieg.

Alle diese Skizzen geben einen interessanten Einblick in die zeichnerische Entwicklung des Tierbildhauers, der durch solche Studien gelernt hat, seine Modelle in allen möglichen Ansichten und Situationen mit wenigen Strichen in lebendigem Ausdruck zu erfassen.

Der befreundete Maler Rudolf Staudenmaier (1884-1954), wie Kärner ein NS-Künstler, hat ihm im Dezember 1946 einen Brief von Sonthofen nach Selb geschrieben. Es ist die erste Kontaktaufnahme nach Kriegsende. Beide hatten seit Jahren nichts voneinander gehört. Staudenmaier schreibt darin, erstaunt zu sein, dass Kärner nun "künstlerischer Leiter von Rosenthal-Selb" sei, was sich weder mit neuen Forschungen zur deutschen Porzellanfabrikation (De Waal) noch mit der Selbstauskunft der Firma Rosenthal deckt (Kärner wurde dort erst 1953 erneut beschäftigt). Eigentlich hätte sich Kärner zu dieser Zeit im amerikanischen Internierungslager in Moosburg befinden müssen, wo er als SS-Offizier inhaftiert gewesen ist. Staudenmaier ist also einer Fehlinformation aufgesessen, der Brief muss Kärner allerdings dennoch erreicht haben. – Tls. etw. gebräunt, wenig fleckig, leichte Gebrauchsspuren.