Mit zwei eigenhändigen Einträgen mit Unterschrift des späteren Bundespräsidenten Walter Scheel. – Das Gästebuch des FDP-Politikers und Unternehmers Knut von Kühlmann-Stumm (1916-1977) und seiner Frau Jutta von Kühlmann, Freifrau von Stumm-Ramholz, geborene von Ramin (1918-2012) ist ein sehr interessantes Zeitzeugnis, weil sich in diesem Anwesen Prominente der Zeit, gerade auch solche, die die Klatschspalten füllten, die Klinke in die Hand gegeben haben. Manche waren mit der Eignerfamilie mehr oder weniger nahe verwandt, andere standen ihr politisch nahe oder gehörten wie diese dem Großunternehmertum an, also Adel, Geldadel und Parteifreunde. Als solcher besuchte auch der FDP-Politiker Walter Scheel (1919-2016), damaliger Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit unter Adenauer, die Familie von Kühlmann mehrfach. Auf dem kleinen beiliegenden Foto sind Scheel und seine Frau in Liegestühlen auf der Veranda zu sehen.
Die Einträge Scheels stammen vom: I. 17. 11. 1966 (dem Todesjahr seiner ersten Frau und dem Rücktritt der FDP-Minister aus der Regierung Erhard): "Die wenigen Stunden brachten zwar wichtige Entscheidungen, aber es bleibt leider zu wenig Zeit, diesen wunderschönen Besitz zu geniessen." – II. 2. 3. 1969: "Mit viel Sonne vom Jägerhaus aufgetankt gehts in die schwere Entscheidung der nächsten Woche. Schröder oder Heinemann, das ist die Frage." Drei Tage später, am 5. März 1969 sollte sich Gustav Heinemann gegen den von der Unions-Fraktion nominierten Gerhard Schröder erst im dritten Wahlgang knapp durchsetzen, was einen entscheidenden politischen Wendepunkt einleitete, den später gerade auch Scheel mitvollzogen hat. Offenbar war er sich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht klar darüber.
Von den vielen Gästen des "Jägerhauses", soweit identifizierbar, seien genannt Lilly von Mallinckrodt-Schnitzler, Kunstsammlerin und Mäzenin (1889-1981), der Diplomat Bernhard von der Planitz (geb. 1941), der Unternehmer und Kunstsammler Friedrich Christian "Mick" Flick (geb. 1944), ein häufiger Gast, Gunilla Gräfin von Bismarck (geb. 1949), genannt "die ungekrönte Königin von Marbella", mit der Familie entfernt verwandt, Mitglieder der Familien von Arnim, von Ramin, von Graevenitz, von Maltzahn, von Perfall, von Strachwitz und von Kageneck, der Papierfabrikant Hans Wolfgang Zander sowie einige Mitglieder der Unternehmerfamilie Quandt. Ein unrühmlicher Beiträger war Reinhard Spitzy, ehemals hoher NS-Funktionär und persönlicher Referent von Joachim von Ribbentrop; Spitzy hat später in Büchern und Vorträgen die NS-Zeit beschönigt. Er war mehrfach in Kohlgrub zu Besuch, dazu auch seine Kinder Elisabeth und Wolfgang (Spitzy von Poser Schmidtmann).
Das Album endet 1972 zur Zeit der Münchner Olympiade, für die Besucher angereist sind, und bricht dann plötzlich ab. Über den Grund dafür berichtet ein Artikel im "Spiegel", der unter dem Titel "Drei Dumme" 1972 erschienen ist. Der "preußische Edelmann, Großagrarier und Stahl-Millionär" Knut von Kühlmann, "den als FDP-Bundestagsabgeordneten bei der Bonner Ostpolitik derartige Skrupel plagen, daß er immer wieder seine Koalitionstreue in Frage stellt", hatte das Grundstück an einen Ostvertriebenen verkauft, den Münchner Gebrauchtwagenhändler und selbsternannten Präsidenten der "Exilregierung freie Republik Danzig", Karl-Heinz Gutjahr. Dieser wollte hier eine Pension für betagte Danziger errichten. Kühlmann wusste, dass der Grund gar nicht weiter bebaut werden durfte, er selbst war 1962 damit mangels Genehmigung gescheitert (siehe ein Foto der Fundamente vorne im Album). Stattdessen hatte er dann das alte Gutshaus ausgebaut, dessen Besuche unser Gästebuch dokumentiert. Über dieses "schmutzige Geschäft", so drohte Gutjahr, werde er "die DDR unterrichten…" Gutjahrs Klage gegen Kühlmann wurde indessen vom Gericht abgewiesen. – Tls. leicht fleckig, Gebrauchsspuren.